"Wenn Sie einmal so richtig schaudern möchten, vielleicht weil Sie endlich mit einer Diät beginnen wollen und Glaubersalz nicht Ihre erste Wahl ist, essen Sie bei Anna. Am besten das Valentinsmenü für 33 €. Danach geht es Ihnen wirklich schlecht, Magen und Darm entleeren sich spontan und ohne Hilfsmittel, und Sie wollen gewiss drei Tage lang nichts mehr mit Lebensmitteln außer Kamillentee zu tun haben. So erlebten wir es am Valentinstag 2016. Wenn Sie gute Nerven haben und vor nichts zurückschrecken, lesen Sie gerne weiter. Ansonsten bitte ich Sie, eine meiner glücklicherweise angenehmeren Bewertungen anderer Lokalitäten zu lesen.
Am Valentinstag ergab es sich, dass wir mitten in Umzugsthemen und somit ohne eigenen Herd ausreichend Zeit für ein schönes Menü zu zweit hatten. Unsere Wahl fiel auf Anna, die im Internet mit diesem Valentinsmenü warb. Ein Anruf, ein kurzfristiger Termin, fünf Stunden später sollte ein schöner Abend zu zweit beginnen. Das eher dörfliche Lokal war leer. Lediglich ein mit der Wirtin bekanntes Paar saß am Nebentisch und genoss Essen und Trinken. Unser Tisch war reserviert und mit Primel und einem Steckerherz dekoriert. Den Auftakt des Menüs bildete ein Prosecco Rosé mit zwei roten Rosenblättern darin. Wir waren erfreut.
Dann folgte eine lange Wartezeit, da die Wirtin eifrig damit beschäftigt war, den anderen Gästen von den Problemen mit dem immer ungepflegter werdenden Koch, Denise, zu berichten. Nach etwa 20 Minuten kamen schließlich die gemischten Vorspeisen. Etwas ratlos schauten wir uns an, da wir zunächst nicht ausmachen konnten, was sich auf dem lieblos angerichteten Teller befand. Nach vorsichtigem Stochern entdeckten wir neben zwei halbfesten, in Fett ertränkten Zucchini- und Auberginenscheiben einen noch gefrorenen, grätenhaltigen rohen Fisch. Darüber lag ein halbgarer Tintenfischfangarm, bedeckt mit einem abgerissenen Salatblatt. Das Ganze war mit einer weißen, undefinierbaren Flüssigkeit bekleckert. Wir waren zwischen irritiert und leicht angewidert. Von der Wirtin keine Spur, sie war in die Richtung Küche verschwunden. Wir aßen das Gemüse. Meine Begleitung versuchte sich am Tintenfisch, der Rest wurde abgeräumt.
Nun kamen auch endlich die beiden bestellten Getränke und das Zwischengericht: Ravioliherzen. Das entpuppte sich als matschig gekochte, herzförmige Nudel mit undefinierbarer Füllung in einer stückigen, rot-weiß-grauen Soße. Meine Begleitung versuchte es mit den Nudeln. Ich nahm zwei davon mit mir und spülte die Soße auf der Toilette ab. So war es erträglicher. Währenddessen berichtete die Wirtin dem anderen Paar lautstark, welche Szenen sich mit dem entlassenen Koch abgespielt hatten. Leider unüberhörbar. Mein Eindruck hingegen war, dass der jetzige Koch kaum besser war. Endlich befreit vom Zwischengericht (das ich loben wollte, wenn es ohne Soße geblieben wäre), kam nun der Hauptgang. Zähes Rind für meine Begleitung mit schwarzgebratenen Kartoffeln und ein völlig ungenießbares, grätenhaltiges Seezungenfilet auf matschigem Blattspinat für mich. Soße: gelb, fettig, ekelerregend. Nach zwei Bissen gab ich auf. Die Salzkartoffeln hätte man vergessen können, je nachdem, wie man es sieht.
Beim ewig späten Abräumen fiel der Wirtin endlich auf, dass dieses Valentinsmenü nicht der Renner war. Ich sagte ihr, dass ich sehr enttäuscht wäre! So etwas hatte mir wirklich noch nie jemand vorgesetzt und schon gar nicht zu diesem Preis. Eine kurze, knappe Entschuldigung war die Antwort. Nach weiteren 15 Minuten Wartezeit, das andere Paar war mittlerweile ebenfalls gegangen, ließ sie uns den Nachtisch bringen. Die Dessertvariation. Allein vom Anblick hob sich mir der Magen. Auch meine tapfere Begleitung schüttelte nur noch den Kopf! Auf zwei Tellern zeigte sich folgendes desolate Bild: ein vor Farbstoff in grellrosa strotzender Billigpudding, lieblos dahingeplätschert und zerteilt. Dazwischen eine teelöffelgroße Menge halbflüssige, rote, bröcklige Grütze. Gekrönt von einer umwabernden, braunschwarzen, stückigen Flüssigkeit, die vor Stunden einmal eine Kugel Schokoladeneis mit Schokostücken gewesen sein muss. Dieser Anblick erinnerte uns beide sofort an etwas, das wir nachher im Auto aussprachen – an den Inhalt einer Menstruation. Angewidert ließen wir das ganze zurück. Und damit ließ sich die Wirtin auch nicht mehr blicken. Nach geschlagenen 20 Minuten kam sie wortlos zu uns, um die Rechnung zu bringen, und erließ uns die beiden Getränke außerhalb des Menüs, ein Bier und eine Apfelschorle. Wir zahlten den vollen Preis – 66 € – und wir werden diesen Valentinstag ganz sicher niemals vergessen. So eine Frechheit und Unverfrorenheit ist uns Gott sei Dank in diesem Ausmaß noch nie begegnet. Am Schild draußen steht übrigens „gehobene italienische Küche“. Gehoben hat es uns beide, die ganze Nacht hindurch, bis sich der Magen wieder beruhigt hatte. Unter gehobener Küche hatte ich mir bisher etwas anderes vorgestellt. Fazit: Dringend fernbleiben!"