"Die Casa de España kann nur entdeckt werden, wenn man zur spanischen Gemeinschaft gehört oder zufällig im eher ungemütlichen Niemandsland zwischen dem Ehinger Tor und der Übergangsbrücke zu den Gleisen verloren ist. In diesem trostlosen Eck Ulms ist kein gastronomisches Angebot zu erwarten. Der ursprüngliche Kulturverein befindet sich im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses und nutzt den Raum an der Längsseite des Gebäudes für die Außenbewirtung. Der kleine Gastraum im Inneren hat den herzlichen Charme eines 1950er Jahre Kleintierzuchtvereins: mit Linoleumboden, schmucklosen Neonröhren an der Decke und einfachster Wirtshausmöblierung. Oben über der Theke stehen ein paar Schnapsflaschen und Tassen auf dem Regal. Die Toiletten sind sehr schlicht, mit einem gemeinsamen Waschbecken im Durchgang. Dafür kann man sich von der vielfältigen Speisekarte und dem sehr charmanten Service inspirieren lassen. Die Casa de España ist eine wahre Tapasbar mit sehr vernünftigen Preisen und einer ansprechenden Auswahl an Gerichten: Oliven, geröstete Mandeln, Fisch und Meeresfrüchte, Fleisch in allen Variationen, Salate in verschiedenen Kombinationen, Kroketten und Frittiertes, verschiedene Süßigkeiten, Paella und gemischte Gerichte. Die Preise lassen einen die Augen reiben vor Staunen. Eine Schale gemischter Salat mit Thunfisch kostet 3,50 Euro, eine Portion Wildkartoffeln mit Salsa Brava 3,00 Euro, eine Tortilla 2,50 Euro, eine klassische Paella mit Hühnchen und Meeresfrüchten ganze 8,00 Euro, marinierte Schweinelende mit Frites 7,00 Euro. Schade, dass die Casa nur freitags, samstags und sonntags geöffnet ist. Wir landen hier durch Zufall an einem lauwarmen Sonntagabend auf dem Weg zu unserer Unterkunft. Es gibt genügend Platz an den einfachen Biertischen (aber das ändert sich im Laufe des Abends). Das gut eingespielte, flinke Bedienung Mädchen bringt schnell die Karte sowie die bestellten Gerichte und Getränke. Wir sind begeistert! Die Weingläser sind in einfachen Limonadengläsern serviert, gut gekühlt und leider mit Eiswürfeln (für mich ein absolutes No-Go, aber anscheinend in Spanien üblich, wie man mir erklärt). Ich habe die verwendeten Rebsorten noch nie gehört, aber wem wundert’s? 2,80 Euro für 0,3 Liter sind mehr als fair. Dann kommen in schneller Folge: ein optisch unspektakulärer, aber aromatischer Tomatensalat (2,90 Euro), ein bunter gemischter Salat mit Thunfisch (3,50 Euro), 10 schmackhafte gegrillte Gambas (8,50 Euro), ein Teller mit würzigem Manchego-Käse (7,90 Euro), zwei maurische Spieße vom Schwein à 2,90 Euro. Mehr ist leider nicht drin. Aber ich frage mich, was sich wohl hinter dem Ei in Flamenco-Art verbergen könnte? Und was sind Pepitas oder Musitos? Einige kann man an den Seitentischen bewundern. Hier scheint jeder Gast glücklich zu sein – sei es eine laute spanische Clique, eine deutsche Touristfamilie mit Teenie-Tochter oder ein sparsame Paar, das einen kleinen Salat liebt. Das Geschirr, die Gläser und das Besteck sind absolut einfach und harmonieren nicht immer, aber die Qualität des Essens und die beeindruckenden Portionen überzeugen. Die Servicekraft ist geschickt zweisprachig und agiert mit großem Charme und Freundlichkeit. Ein wenig später, als es voller wird, bekommt sie männliche Unterstützung. Am liebsten würden wir hier jeden Abend sitzen, aber montags müssen wir an die begrenzten Öffnungszeiten denken. Schade! Wer zu Fuß unterwegs ist, kann die wunderbare Auswahl an Weinen und Spirituosen leicht probieren. Autofahrer finden zahlreiche Parkplätze direkt an der Straße, aber die sind immer schnell belegt. Der Bahnhof ist nur wenige Schritte entfernt, der Straßenbahnknotenpunkt Ehinger Tor ebenfalls. Dort könnte man zum Schluss kommen: Alle (kulinarischen) Wege führen nach Spanien! Vielleicht auf dem Weg über Ulm."