"Über den Friedhofplatz in Solothurn - welch ein irreführender Name für diesen von Leben pulsierenden Stadtteil - schlendernd, sah ich die grosse, schwarze, mit Kreide beschriftete Menükarte beim Eingang zum Alten Stephan. Kaum hungrig, aber was ich da las, änderte alles schlagartig, kenne ich doch diesen kleinen Gourmet-Tempel schon seit Jahren. „Zahnderfilet auf Sizilianischem Salat“ war da angepriesen. Der Gwunder war geweckt. Widerstand selbst solcher von Seiten meiner Frau wäre da im Rauschen der Vorfreude untergegangen. Die Frage war nur noch: draussen unter einem Sonnenschirm, das Stadtgeschehen vor Augen, oder doch lieber drinnen im gediegenen, alten Gastraum des mittelalterlichen Gebäudes mit den dicken Mauern, an einem Fenster mit Blick auf die Gasse. Wir entschieden uns für die Ruhe des Raumes um uns nicht beim Verkosten einer dieser, mir längst bekannten, aussergewöhnlichen Geschmacksnoten der Stephansessen durch eine Windböe vergällen zu lassen. Es zahlte sich in jeder Hinsicht aus; freundlicher Empfang, schön gedeckte Tische - sogar unser Stammplatz am Fenster mit Blick auf den Stadtklatsch draussen war verfügbar. Nur noch der Wein wollte ausgesucht sein, was kein Problem bereitete, da der Alte Stephan die gute Wahl im Wadtland für uns schon getroffen hatte - also auch hier keine „Verschlimmbesserung“, und schon fühlten wir uns zu Hause. Schon sechzehn Jahre führe er das Lokal beantwortete der Gastgeber unsere Frage nach den Gründen für so sympathische Kontinuität, was bei Restaurants schon aufhorchen lässt. Wahrlich ein guter Stern über diesem Alten Stephan und damit auch über seine Gäste, die kaum hungrig, kulinarische Freuden suchen.Über die Qualität des uns Gebotenen aus dieser bewährten Küche schreiben, wäre hier reine Zeitverschwendung. Nur soviel: der Sizilianische Salat war eine echte Überraschung für mich, der ich doch die Kreativität des Italienischen Südens etwas kenne. Vielleicht war da noch etwas mehr exotische Erfahrung beigemischt - in die Küche gucken wagte ich nun doch nicht. Ein unerwartetes, nicht geplantes Erlebnis heute in einer wunderschönen Altstadt der biederen Schweiz."