"Das war ein Wochenende! Der Sommer hatte noch einmal einen endgültigen Start genommen und das Münsterland erstrahlte in Sonnenschein und schwitzenden Temperaturen. Wir nutzten das Wochenende mit den letzten lauwarmen Sommerabenden und kehrten spontan am Samstagabend zum Keiling zurück, um auf der Terrasse zu speisen. Wie immer ein kulinarisch höchst zufriedenstellender Abend in schönem Ambiente. Nicht ganz so spontan hatten wir angesichts des guten Wetters einige Tage zuvor einen Tisch im Hinterding in Lengerich für den Sonntagnachmittag reserviert. So konnten wir gut vergleichen, hier die jungen Wilden Gina Duesmann und Lars Keiling, dort fast 20 Jahre in Lengerich aktive Elke Zeitner und Klaus Weingartz. Das Hinterding ist tatsächlich in jedem Restaurantführer als eine der ersten Adressen im nördlichen Münsterland aufgeführt und stand daher schon lange auf unserer To-Go-Liste. Leider ist es relativ weit von Rheine nach Lengerich, sodass entweder jemand als Fahrer gefunden werden muss oder man es wie wir macht, mit dem Zug nach Osnabrück reist, akzeptable 18 km zurücklegt und sich dann entspannt über den Nachmittag wieder nach Rheine begibt. Fast hätte das schwere Sommerwetter am Sonntagmorgen unsere Pläne abrupt beendet, aber rechtzeitig mit unserer Ankunft in Osnabrück am Altstadtbahnhof kam die Sonne wieder heraus und verwandelte das Tecklenburger Land in eine Dampfsauna. Im wahren Schweiß unseres Gesichts stapften wir bei fast 30° und gefühlten 100% Luftfeuchtigkeit nach Lengerich und verdienten uns eine schöne Rückkehr mit Ankunft in der alten Villa am Bahnhof. Angesichts des Regens einige Stunden zuvor hatten wir die Hoffnung, draußen speisen zu können, begraben, alles war noch nass. Schade, angesichts des schönen Sonnenscheins, der jetzt herrschte. Wir gingen die Treppe hinauf zur Tür und ließen uns auf der Terrasse nieder, wo Herr Weingartz gerade Bohnen döpte. Er begrüßte uns sofort und auch Frau Bertz. Herr Weingartz fragte sofort, ob wir draußen speisen möchten, was wir bejahten, und bot uns einen Platz am Tisch auf der überdachten Terrasse links vom Eingang an, die Sitze dort waren trocken. Frau Bertz deckte den Tisch auf hohem Niveau ein. Etwas erleichtert, draußen speisen zu können angesichts unseres etwas erhitzten Zustands, erkannte Frau Bertz sofort unser wichtigstes Bedürfnis und servierte uns mit den Karten ein frisch gezapftes Pils. Das war gut! Und wir konnten entspannt in die Karten schauen. Die Karte besteht aus drei DIN A4-Seiten, die auch auf der Homepage eingesehen werden können. Regionale Lieferanten werden genannt, die Küche ist deutsch-französisch inspiriert und mit besonderem Anspruch an Zutaten und Zubereitung umgesetzt. Das Preisniveau liegt auf oberem Münsterländischem Niveau. Von den einzelnen Gerichten gibt es zwei Menüvorschläge, darunter auch ein veganes Menü. Herr Lindpere, der Sommelier, schlug dann ein individuell gestaltetes Sonntagsmenü vor. Wir hatten uns jedoch relativ schnell auf das Menü Chefding geeinigt. Dies bestand aus folgenden Gängen: Unser ChefDing ab zwei Personen (Vier-Gänge-Menü: 69,00 € (p. P.) Dreier-Gänge-Menü (ohne Durchgang: 59,00 € (p. P.) Gegrillte Gambas auf Kürbis und Linsen (meine Frau) oder Kaiserjungfern Brüste auf lauwarmem Tomaten-Wachsbohnen-Salat (für mich) bevor es zum ersten Gang noch ein Brot gab. Die ersten beiden Gänge kamen ohne Schwäche auf den Tisch. Besonders die Wachteln waren perfekt zubereitet. Vor dem eigentlichen zweiten Gang überraschte uns die Küche mit einer Sonntagssuppe, einer Rinderbrühe mit Hummern auf höchstem Niveau. Klar, pur im Geschmack, subtil nur gesalzen, einfach köstlich. Zander vom Hof Lintker aus Hagen a.T.W. auf Kartoffel-Steinpilz-Ragout Gang zwei stand Zander, perfekt gebratene Filets mit knuspriger Haut auf einem äußerst schmackhaften Ragout aus Steinpilzen und Kartoffeln. Steinbutt in Trüffelbutter-Soße auf Petersilienwurzelpüree Gang drei, wir hatten uns erneut für den Fisch entschieden, gegen das alternative Tournedos vom Weser Marschlandrind mit gebratenen Pfifferlingen, und wir bereuten die Entscheidung nicht. Die Butter-Soße mit Trüffeln war ein Höhepunkt in der Kombination mit dem Püree und den zusätzlich servierten Nudeln, wiederum mit feiner Steinbutt in perfekt gegartem Zustand. Frisch aus dem Ofen mit Vanilleeis. Der alternative Käse (Brie de Meaux »à la Chesery« gefüllt mit Trüffelcreme war nach dem Menü zu mächtig und wir entschieden uns beide für die angebotene Tarte. Die Tarte bestand aus Blätterteig, mit recht sauren Pflaumen, aber zusammen mit einer sehr guten Vanillesoße und Vanilleeis war es eine gute Wahl. Zusammenfassend hatten wir letztendlich ein 5-Gänge Menü auf sehr hohem Niveau. Keiner der Gänge zeigte eine offensichtliche Schwäche und selbst an sehr kritischen Stellen konnte ich nicht viel an irgendeinem der Gänge kritisieren. Herr Weingartz beherrscht sein Handwerk! Ein Silvaner aus Franken, von der Weinkellerei Max Müller aus Volkach, begleitete uns durch das Menü. Dieser Wein passt mit seinen Holznoten perfekt zu den beiden recht würzigen Fischgängen. Diese Weinkellerei steht auf meiner persönlichen ToGo-Liste und wird so bald wie möglich besucht. Frau Bertz und Herr Lindpere manövrierten uns sicher durch das Menü und gaben sich entweder beim Abdecken für die Gänge oder beim Vorstellen der Speisen zu erkennen. Peter hat das schöne Ambiente in und um die Villa bereits mit seinen Fotos beschrieben, ich muss nicht viel hinzufügen. Am Ende hatten wir noch ein anregendes Gespräch mit Herrn Weingartz auf der Terrasse und verließen nach 2 Stunden das Restaurant Hinterding mit dem festen Vorsatz, wiederzukommen. Das Hinterding kann im Vergleich mit Generationen bestehen! Wir waren sehr zufrieden."