"Der letzte Tag im Exil an der Weser sollte nicht ohne ein gutes Mittagessen vergehen. Vom Restaurant „Derby“ im Atlantic Hotel an der Galopprennbahn hatten wir nur Positives gehört. Besonders das günstige Mittagessen wurde uns wärmstens empfohlen. Ein kurzer Blick in die literarische App vom Guide Michelin und wir schwingen uns auf die Fahrräder in Richtung Ludwig-Roselius-Allee, die zwischen den beiden Stadtteilen Neue Vahr und Sebaldsbrück verläuft. Das Hotelrestaurant befindet sich im ersten Stock. Von der Lobby führt eine Treppe direkt ins „Derby“, wo wir freundlich von der Serviceleiterin empfangen und zu unserem reservierten Tisch geleitet wurden. Wir konnten dies buchen, da am Mittwochnachmittag nicht viel los war. Erst später füllte sich der vordere Bereich des Speisesaals. Eine ganze Schar von Golfspielern kam nach der Arbeit ins Restaurant, um gemeinsam das Ritual der Sättigung zu zelebrieren. Dazu gesellten sich einige isolierte Geschäftsleute im gediegenen Stil, sowie eine Handvoll älterer Herren, die anscheinend täglich hier zum Mittagessen sind, als ob sie Teil des Panoramas wären. Doch wir konnten das reiche Grün nicht lange genießen. Die perfiden Fenster ließen sich nicht öffnen. Hinweis: Sichern Sie sich beim nächsten Mal im Voraus einen Tisch direkt vor der Glasfront! Ich hatte den bequem gepolsterten, weißen, lederbeschichteten Gastro-Stuhl. Das sorgt für einen angenehmen Sitzkomfort. Mein Begleiter saß ebenfalls sehr gut auf einer bequemen Bank, die dank ihrer brusthohen Rückenlehne aus hellem Holz eine kleine Abtrennung bot. Als Hotelküche müssen sie auch den Frühstücksbedarf im Raum abdecken, weshalb der Büffetbereich zentral im Speisesaal platziert ist. Der große Speisesaal wirkte auf den ersten Blick dank seiner räumlichen Elemente etwas „gewöhnlicher“. Aber nur die komplett holzfreundlichen Sitznischen mit der U-förmigen, weiß gepolsterten Landschaft und den tiefhängenden Designerleuchten schienen wirklich gemütlich. Sicherlich ein großartiger Ort für ein romantisches Abendessen mit den Liebsten. Nun zurück zum kulinarischen Genuss am Galopp am Nachmittag. Fünf verschiedene Gerichte hatte das Team um Koch Francesco Cannistra heute zur „Sprint-Rennveranstaltung“ geschickt: zweimal Fleisch, zweimal Fisch (der gehört in die Sahne) und einmal ohne. Mit Preisen von knapp 11 Euro oder rund 8 Euro (vegetarisches Gericht) blieb es auch finanziell im Rahmen. Klar, mit stolzen 6,90 Euro für die 0,75 l Flasche Mineralwasser der Marke „Magnus Classic“ wurde das günstige Mittagessen zumindest teilweise subventioniert. Natürlich hätten wir auch aus der umfangreichen Speisekarte wählen können, mit Rindersteak, gefüllter Maispoularde, Iberico-Schweinrücken und gegrilltem Kalb, und vor allem für Fleischfans war viel geboten. Einige Vorspeisen, zweimal Suppe, vier Pastasorten, ein vegetarisches Duo und drei Fischgerichte rundeten die sorgfältig ausgewählte Auswahl ab, die für jeden Geschmack etwas bereithielt. Doch unsere Entscheidung stand schon längst fest. Auf den ausgedruckten Papieren, die auf dem Tisch lagen, standen so köstliche Mittagsgerichte, dass wir die Standardkarte verließen. Mein Begleiter wählte die Maispoularde mit Sambal Oelek-Sauce, gebratenem Gemüse und Parmesanpolenta (10,80 Euro), während das Zanderfilet mit Karotten und Butterreis (ebenfalls 10,80 Euro) mir vielversprechend erschien. Mein zusätzliches Anliegen, die ungeliebte Kapernsauce gegen die mit roten Pfeffer verfeinerte Schnipser-Sauce auszutauschen, wurde gerne aufgenommen. Den Anfang machten einige Scheiben Olivenbaguette mit Butter und einer Schale Dill-Orangen. Alles passte wunderbar in die Holzkiste, die uns in der Tischmitte zur Verfügung gestellt wurde. Da ich selten Alkohol zum Mittagessen trinke, beschränkte ich mich auf Wasser und übte mich im Wein. Kaum war das letzte Stück Weißbrot „verspeist“, wurden unsere beiden Hauptgerichte serviert. Mein Zanderfilet kam perfekt knusprig gebraten und geschmacklich sehr gut gewürzt aus der Pfanne. Die herzhafte Sauce hatte genug Geschmack, um den neutralen Butterreis auszubalancieren. Begleitet von sanft gegartem, karottenartigem Gemüse war dies ein sehr harmonisches Gericht, das den Zander als Hauptdarsteller gut in Szene setzte. Mein „Sprint-Rennen“ schmeckte ausgezeichnet und ich freute mich über die ordentliche Größe der Portion. Auch das Teller von meinem Begleiter sah nach feinster Kochkunst aus. Auf dem knusprigen Bein der Maispoularde lag ein fluffiger Parmesanpolenta-Würfel. Darunter kontrastierte farbenfrohes Gemüse. Die Schärfe der Sambal Oelek-Sauce hielt sich in Grenzen, passte jedoch hervorragend zu dem knusprigen Gemüse und erweiterte gleichzeitig das aromatische Spektrum der Dips. Genau wie der Fisch war auch die Materialmenge gut dimensioniert, was unser Dessert erklärt. Insgesamt war dies ein sehr angenehmes Mittagessen, das ich nur empfehlen kann. Die etwas überhöhten Getränkepreise halten sich mit dem beeindruckenden Preis-Leistungs-Verhältnis der Speisen im Rahmen. Der Ausblick auf ein „Sonntags-Derby“, bei dem ein wöchentlich wechselndes 3-Gänge-Menü für 21,50 Euro angeboten wird, hätte definitiv Sportreporter und Pferdereporter Addi Furler gefreut, hätte er es rechtzeitig erfahren. Er hätte den besten Blick auf seinen „Galopper des Jahres“ von der Terrasse gehabt."